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Sie sagen, Schüler wollen lernen. Dem gegenüber stehen die PISA-Ergebnisse. Wer hat nun recht?

Borbe: Meine Aussage bleibt weiterhin gültig, denn Schüler wollen grundsätzlich lernen und sind sehr wissbegierig. Die PISA-Studie gibt nur Auskunft über die aktuelle Lernsituation der Schüler unter den gegebenen Bedingungen. In den letzten Ferienwochen, also abseits von Schul- ,Termin- und Freizeitstress, hatten wir viele Schüler an unserem Schülerkolleg Borbe, die froh waren, wieder in unseren

Ferienkursen Problemfächer aufarbeiten zu können. Was den Schülern heutzutage allgemein fehlt ist eine vernünftige Struktur in Schule und zuhause sowie eine anregende Lernsitutation. Stattdessen stelle ich immer mehr eine Verbürokratisierung und eine Vergemeinschaftung des Lernens fest, die den Schülern das Lernen unnötig erschwert, bis hin zur Lernverweigerung.

Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?

Borbe: Das Lernen braucht erstmal eine andere Gewichtung. Der Trend zur Ganztagsschule ist das genaue Gegenteil, die falsche Richtung, denn Schüler sind auch und insbesondere Kinder und brauchen freie, unverplante Zeit, um sich entfalten zu können. Der Nachmittagsunterricht sollte freiwillig sein, nicht verpflichtend. Und, die Schüler sollten ein klares und verbürgtes Mitspracherecht bekommen, von welchen Lehrern sie unterrichtet werden wollen.

Das würde das Schulsystem auf den Kopf stellen, wenn Schüler neben ihren Kursen auch noch die Lehrer wählen könnten.

Borbe: Die Schule ist ein Ort der Gemeinschaft, also sollte auch gemeinschaftlich und paritätisch zwischen allen Beteiligten, also Schulleitung, Lehrerkollegium, Eltern und insbesondere auch Schülern entschieden werden, welcher Lehrer an der

entsprechenden Schule unterrichten soll. Der Beamtenstatus der Lehrer führt hingegen zu einer Lähmung dieses flexiblen Prozesses und hat häufig eine pädagogische Passivität bis hin zur Lehrverweigerung zur Folge, die dazu führen kann, dass Schüler schlicht keine Lust mehr auf Schule und Lernen haben. Wir sollten daher in der Schule, die ein Gemeinschaftsort ist, mehr Demokratie und verantwortungsvolles, paritätisches Miteinander wagen.

Das bedeutet, der Misserfolg mancher Schüler liegt allein in den Strukturen und bei denjenigen, die sie unterrichten?

Borbe: Schüler sind Individuen. Das weiß jeder, es wird aber nicht genug berücksichtigt. Schüler sollten als einzelne und einzigartige Persönlichkeiten stärker wahrgenommen werden, also in einer Klasse nach den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen gefördert werden. Das findet aber häufig nicht statt, also ist es Zeit zu handeln. Ich wiederhole mich: Schüler wollen lernen, aber in anderer Form, mit modernen Methoden und vor allem mit mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten.